Gemeinschaft am Lagerfeuer
Trupp auf dem Hajk
Bauleute einer lebenswerten Stadt
Drei Bilder der DPSG für ihr Kirche-Sein
Um Kirche zu beschreiben, verwendet schon die Bibel eine Fülle unterschiedlicher Bilder, die sich gegenseitig ergänzen. Im Folgenden beschreiben wir mit Hilfe dreier Bilder Kernpunkte, wie wir uns als DPSG verstehen, die ein Teil der Kirche ist. Vieles davon ist schon in unseren Stämmen und Gruppen Wirklichkeit. Anderes sind Ziele, auf die wir uns als Verband hinbewegen wollen. Wir greifen biblische Bilder auf: von Gott, der sich dem Mose im Feuer des Dornbuschs zeigt (Ex 3) und seinen Geist am ersten Pfingsten in Feuerzungen sendet (Apg 2); vom wandernden Gottesvolk, das unterwegs ist von Ägypten in das Gelobte Land und später ins Exil (Ex, 2 Kön); schließlich von der Stadt Gottes unter den Menschen (Offb 21), von der Gemeinde als Gottes Bau (1 Kor 3) und der Sorge für das Wohl der Stadt (Jer 29). Die entworfenen Bilder beschreiben uns wichtige Blickpunkte. Sie sind offen für ergänzende Blickwinkel. Wir wissen, dass sie manchmal in Spannung dazu stehen, wie wir Kirche heute erleben. Wir erleben einen schmerzhaften Zwiespalt zwischen dem Anspruch des Evangeliums und der Wirklichkeit der Kirche, die wir oft als ängstlich statt Mut machend, als einengend statt befreiend und als kleingläubig statt vertrauend wahrnehmen. Die Bilder sollen hoffnungsvolle Leitbilder sein, zu denen wir uns als Jugendverband und als Kirche hinbewegen wollen. Wenn wir uns an ihnen orientieren, ergeben sich Konsequenzen für unser Leben und Handeln im Verband sowie für Ziele, Pädagogik und Strukturen der DPSG.
Gemeinschaft am Lagerfeuer
Mit dem ersten Kirchenbild gehen wir von unseren Glaubenserfahrungen aus: Die Kirche, die wir als Pfadfinderinnen und Pfadfinder in der DPSG sein wollen, gleicht einer Gemeinschaft am Lagerfeuer.
Ein Lagerfeuer strahlt eine große Faszination aus. Feuer ist mehr als ein chemischer Prozess. Etwas Geheimnisvolles wird für den spürbar, der in der Nacht am Lagerfeuer sitzt. Feuer lockt Menschen ganz unterschiedlicher Herkunft, den züngelnden Flammen zuzusehen, ruhig seinem Knacken und Prasseln zu lauschen und seine unbändige Energie und Wärme zu spüren. Das wärmende Licht eines Lagerfeuers lässt Menschen sich um es herum versammeln und so zu einer Gemeinschaft werden. Sie kommen ins Gespräch und in Beziehung, feiern und trauern gemeinsam, tauschen sich aus, kommen ins Fragen, Nachdenken, Planen, Träumen, ...
Das Feuer Gottes als das unergründbar tiefste Geheimnis unserer Welt und unseres Lebens wirkt faszinierend und anziehend. Wie Feuer Wärme und Licht spendet, so erfahren wir das Feuer Gottes immer wieder als eine Kraftquelle für unser Leben und unseren Glauben. Wie ein Lagerfeuer verbindet das Feuer Gottes Menschen ganz unterschiedlicher Herkunft zur Gemeinschaft der Kirche. Es würde Bücher füllen, die Geschichten der einzelnen zu erzählen, von ihren Träumen, Sehnsüchten und Ängsten zu berichten. Gott, der uns in Jesus Christus liebend nahe ist, bildet die Mitte, um die sich die
Gemeinschaft der Glaubenden sammelt. Gott ist uns Menschen so nahe, dass er in Jesus Mensch wurde: verletzlich, greifbar und erfahrbar. An ihm wird auf einzigartige Weise deutlich, wie wir als Menschen unter Gottes Augen leben sollen. Alle ordnen sich dieser Mitte zu; Ansehen und Herkunft der einzelnen spielen dabei keine Rolle. Es geht in der Kirche zuerst um den dreifaltigen Gott und seine Zuwendung zu uns Menschen, nicht um Herrschaft und Macht von Menschen. Am Lagerfeuer hat jeder seinen eigenen Abstand zum Feuer, mit dem er sich wohl fühlt. Manche sitzen nahe am Feuer dran - ihnen ist kalt und sie suchen Wärme. Manchen wird es dort zu warm - sie drehen sich weg, wandern ein wenig in die Dunkelheit, oder setzen sich weiter nach außen. Manchen scheint das Feuer hell ins Gesicht, andere suchen den Schatten. Jeder und jede sucht sich den eigenen Platz, mal nah, mal fern, mal im Licht, mal im Dunkel. Doch gemeinsam ist allen, dass sie in Beziehung zum Feuer stehen. Alle, ob weiter weg
oder ganz innen im Kreis, gehören dazu. Zur Gemeinschaft am Lagerfeuer gehört Offenheit und Weite. Sie hat keine trennende Grenze. Nur manchmal verstellt einer dem anderen den Zugang zum Feuer oder den Blick auf das Feuer.
Gleiches gilt für die Gemeinschaft der Kirche: Es gibt unterschiedliche Weisen der Zugehörigkeit, enge und scheinbar sehr lose. Die Kirche Gottes, die Gemeinde Jesu Christi ist weiter als der Kreis der Gottesdienstbesucher und weiter als der Kreis der gemeldeten Kirchenmitglieder. Zu dieser weltumspannenden, offenen Gemeinschaft sind alle Menschen gerufen.
Das abendliche Lagerfeuer ist für Pfadfinderinnen und Pfadfinder ein Ritual mit wiederkehrenden gleichen Handlungen und Rollen: Das Errichten und Entzünden des Feuers, das Nachlegen von Feuerholz ebenso wie das gemeinsame Singen zur Gitarre. Rituale geben Sicherheit und stiften Gemeinschaft. Das gilt ebenso für die Rituale, die die DPSG aus der Tradition der Pfadfinderbewegung und der Kirche pflegt. Gleichzeitig eröffnen sie einen Raum zum Nachdenken über sich selbst und für persönliche Erfahrungen mit Gott.
Ein Feuer muss gehütet und gepflegt werden. Das gilt auch für die Beziehung zu Gott. Gott selber ist der, der immer da ist. Aber die Beziehung zu ihm muss gepflegt werden – wie jede Beziehung. Sonst nimmt sie Schaden oder erlischt. Manchmal ist es auch nötig, vor dem Feuer zu schützen. Nicht jeder erträgt die Hitze des Feuer, manche kommen ihm zu nahe. Gott selber mahnt den Mose: „Komm nicht näher heran!“ (Ex 3,5) Wir sind für uns selber und füreinander verantwortlich – auch in der Beziehung zu Gott.
Feuer steckt an. So gibt es in der Kirche Menschen, die sich vom Geist Gottes anstecken lassen und den Funken der Begeisterung weitertragen; die nicht die Asche verbrauchter Traditionen hüten, sondern Zugang zum lebendigen Feuer eröffnen. Das geschieht durch Wort und Tat, durch gelebte Hoffnung und tätige Solidarität, in Gebet, Gottesdienst und alltäglich gelebter Gottesbeziehung. Die große Gemeinschaft der Kirche lebt in den vielen kleinen Gemeinschaften der Gruppen, Leiterrunden und Stämmen unseres Verbandes.
Trupp auf dem Hajk
Ein zweites Bild richtet den Blickwinkel vor allem auf die Gemeinschaft: Kirche, die wir als Pfadfinderinnen und Pfadfinder sein wollen, gleicht einem Trupp auf dem Hajk. Alle sind gemeinsam auf einem Weg, der viele Abenteuer bereit hält. Schwierige Situationen müssen gemeistert und unbequeme Wegstrecken zurückgelegt werden.
Andererseits gibt es schöne Wegabschnitte, erholsame Lagerplätze und Erlebnisse voller Spaß und guter Laune. Das Ziel vor Augen ist der gemeinsame Weg dorthin das Entscheidende.
So stellen wir uns Gemeinschaft der Kirche vor. Sie ist unterwegs zu einem gemeinsamen Ziel: zu Gott und seinem Reich. Doch entscheidend kommt es auf den Weg dorthin an. Dann wird bereits unterwegs - dadurch wie der Weg gemeinsam zurückgelegt wird - die Liebe und der Geist Gottes erfahrbar: Durch das Engagement für die Schwachen, durch den Einsatz der eigenen Stärken und Fähigkeiten für die Gemeinschaft, durch die gemeinsam errungene Entscheidungen über den richtigen Weg. Jesus ist auf diesem Weg unser Begleiter, er hilft wenn unsere Kräfte versagen und stärkt unsere Gemeinschaft.
Unterwegs sucht der Trupp auf dem Hajk immer wieder nach Orientierung. Er schaut nach Wegzeichen, benutzt Karte und Kompass und hört auf die Erfahrung von einzelnen, die in dieser Gegend vielleicht schon einmal unterwegs waren. Solche Wegzeichen sind für uns die Werte, die wir in der DPSG überzeugend mit Leben füllen. So finden wir Orientierung für unseren Lebensweg. Wie die Kompassnadel zuverlässig nach Norden zeigt, so gibt Jesus Christus, sein Leben und seine frohe Botschaft unserer Gemeinschaft als Kirche Orientierung auf ihrem Weg. Sein Geist begleitet uns und stärkt den einzelnen den Rücken.
Eine Gemeinschaft auf dem Hajk muss an Wegkreuzungen die Richtung klären, sich das Ziel vor Augen halten und sich für einen Weg entscheiden. Das funktioniert nicht immer im vollen Konsens der ganzen Gruppe, aber auch nicht unter dem Diktat eines einzelnen.
Auch für uns als Kirche heißt das, dass bei Entscheidungen alle mitbestimmen: Kinder und Erwachsene, Frauen und Männer, Priester und Laien. Keiner ist mehr wert als die andere. Gleichwohl gibt es nach den Begabungen der einzelnen unterschiedliche Aufgaben und Funktionen auf dem gemeinsamen Weg. Einige kennen den Weg besonders gut und können Orientierung geben; andere können
Mutlose motivieren und anspornen; andere haben die Fähigkeit, unbequeme Fragen zu stellen, wenn es nötig ist; wieder andere können Streit schlichten oder Schwächere unterstützen. Wenn alle ihre Fähigkeiten und Begabungen zum Wohl der anderen einsetzen, entsteht echte Gemeinschaft.
Das zeigt sich deutlich beim Hajk: Damit er gelingt, bringen sich die Truppmitglieder mit ihren eigenen Stärken und Fähigkeiten ein. Auch Fragen und Zweifel sind wichtig und haben ihren Platz. Dabei bilden sich unterschiedliche Aufgaben heraus. Doch jeder braucht den anderen, damit das ganze Unternehmen gelingt. Wer etwas besser kann, unterstützt die Schwächeren. Der Große schützt den Kleinen. Alle gehen den ganzen Weg mit, mit allen Höhen und Tiefen. Alle sind zum gleichen Ziel hin unterwegs.
Der gemeinsame Weg verändert die Menschen, die ihn gehen. Sie bauen ihre Fähigkeiten aus, erfahren durch die Auseinandersetzung mit den anderen im Trupp Neues über sich, lernen mit Irrwegen und Misserfolgen umzugehen und entwickeln sich als Person weiter.
Bauleute einer lebenswerten Stadt
Ein drittes Bild lenkt nun den Blick auf unser Handeln aus dem Glauben: Als Pfadfinderinnen und Pfadfinder zeichnet uns aus, dass wir unsere Hände nicht untätig in den Schoß legen. Unser Glaube zeigt sich in der Tat. Die Kirche, die wir als DPSG sein wollen, gleicht Bauleuten, die an einer lebenswerten Stadt bauen.
Viele Menschen leben in einer Stadt zusammen: alte und junge, gesunde und kranke, arme und reiche, schwarze und weiße, Frauen und Männer...; Menschen mit unterschiedlichen Begabungen, Lebensentwürfen, Kulturen und Religionen. Sie alle gestalten diese Stadt nach ihren Vorstellungen, Möglichkeiten und Bedürfnissen mit. So gibt es viele Baustellen in dieser Stadt. Neue Gebäude und Stadtviertel entstehen, alte Gebäude werden abgerissen, restauriert oder modernisiert.
Bauleute, die eine lebenswerte Stadt gestalten wollen entwickeln ihre Pläne vom Zusammenleben darin und setzen sie mit Kopf, Herz und Hand in die Tat um. Mit ihren vielfältigen Begabungen packen sie dort mit an, wo es nötig ist: Die eine als Architektin, der andere als Maurer, wieder andere als Baggerführer,
Elektrikerinnen oder EDV-Fachleute. Mit anderen, die ähnliche Ziele verfolgen, arbeiten sie zum gegenseitigen Nutzen zusammen. Ansporn für ihr Engagement ist ihre Vision einer Stadt, in der alle gerecht und friedlich im Einklang mit der Schöpfung leben können.
Unsere Vision als DPSG vom Zusammenleben in der Gesellschaft entspringt unserem Glauben an Jesus Christus – im Bild gesprochen - als dem Bauherrn, der uns den Auftrag gibt, die Welt, in der wir leben, in seinem Sinne zu gestalten.
Als Pfadfinderinnen und Pfadfinder wollen wir sie ein wenig besser zurücklassen, als wir sie vorgefunden haben . Wie Jesus immer wieder Ausgegrenzte, Arme und Kranke vom Rand der Gesellschaft in ihre Mitte stellte, so wollen auch wir lebenswerte Räume besonders für die und gemeinsam mit denen schaffen, denen das aus eigener Kraft nicht gelingt. Bei all unserem Planen und Tun vertrauen wir auf und spüren den Geist Gottes, der uns als Mitgestalter Ideen und Kraft gibt.
Aus ihrer Vision und dem daraus entwickelten Bauplan errichten Bauleute Gebäude, Lebensräume, die von den Menschen der Stadt genutzt werden können: Begegnungsstätten für verschiedene Kulturen, barrierefreie Stadtteilzentren und Kirchen und Klöster, Räume der Stille, Musikkneipen und Jugendzentren, sowie innovative Fabriken mit neuen Arbeitsplätzen...
Solche „Lebensräume schaffen“ kann für uns in der DPSG beispielsweise heißen: Anwälte sein für Kinder und Jugendliche, Engagement für Menschen, die in unserer Gesellschaft an den Rand gedrängt werden, entwicklungspolitisches Engagement, Mitgestaltung in politischer und kirchlicher Gemeinde,…
Dabei stoßen Bauleute immer wieder an Grenzen: Sie haben beschränkte Arbeitskraft, Baugeräte und finanzielle Ressourcen; die Mitbewohner der Stadt haben oft ganz andere Vorstellungen und Pläne, die ihren Bauvorhaben im Wege stehen. Manchmal missbrauchen Stadträte auch ihre Macht, um unliebsame Projekte zu verhindern. Doch vielleicht gelingt es, andere zu überzeugen und Bündnispartner zu finden. Schließlich gibt es Grenzen der Stadtentwicklung: Für neue Gebäude auf der grünen Wiese beispielsweise fehlt es an der nötigen Infrastruktur. Alte Gebäude und Straßenzüge etwa stehen unter Denkmalschutz und können nicht für Neubauten abgerissen werden. Vielleicht können sie jedoch für einen veränderten Bedarf behutsam umgebaut werden. Es geht schließlich nicht darum, die historische Stadt als ein Museum zu erhalten, sondern aus alter und neuer Bausubstanz eine lebenswerte Stadt zu gestalten, die den sich ändernden Bedürfnissen ihrer Bürgerinnen und Bürger gerecht wird.
Solche Erfahrungen machen wir als DPSG ebenso bei der Gestaltung von Kirche und Gesellschaft: Es gibt Gruppierungen, die ganz andere Vorstellungen haben und unsere Pläne durchkreuzen können. Es gibt Traditionen, die unveränderbar scheinen...
Doch so leicht lassen wir uns nicht entmutigen. Dadurch wie wir solidarisch miteinander arbeiten, wie wir Betroffene beteiligen, wie wir mit Kritik umgehen, Konflikte in guter Weise austragen und ausgelassen Erfolge feiern können, setzen wir Zeichen. Durch unser Tun leben wir als DPSG zugleich modellhaft vor, wie das Zusammenleben in Kirche und Gesellschaft gelingen kann. Wir möchten Hoffnungszeichen für andere sein und hoffen, dass unser Handeln Kreise ziehen wird.
AG Kirchenbild:
Alexander Schleicher - Beate Köster - Boris Zimmermann - Guido Hügen OSB - Jan-Patrick Roth - Marcus Schuck - Peter Otto